Prinz Eisenherz Lexikon
Von Ria Uhlig
Anläßlich des 75. Geburtstags von Prinz Eisenherz fand am 10. März 2012 in München ein Symposium statt, dessen vier Vorträge einen Einblick in die Schwierigkeiten und Besonderheiten der Übersetzung, Reproduktion und Narrativität des Comics boten. Tagungsort war der Heuboden im Viereckhof des Tagungszentrums Kardinal Wendel Haus.
Im ersten Vortrag erläuterte MIK SCHULZ den Arbeitsprozeß von Hal Foster sowie die Auswirkungen auf heutige Probleme der Reproduzierbarkeit des Comics. Er vertrat dabei eindrucksvoll die These, daß es quasi unmöglich sei, eine originalgetreue Neuausgabe zu publizieren. Dies liegt zum einen darin bedingt, daß die erhaltenen Zeitungsausgaben von Prinz Eisenherz sich im Laufe der Jahre derart verändert haben, daß es nicht möglich ist zu sagen, wie die Farben ursprünglich aussahen. Zum anderen nutzte Foster ein neues, speziell für den Eisenherz-Comic entwickeltes Lithographie-Verfahren, bei dem das Original erst im Druck selbst entsteht, sodass heute keine kolorierten Vergleichszeichnungen vorliegen können. Foster selbst fertige nur Schwarzweiß-Zeichnungen an, die in eine Graukopie umgewandelt wurden, auf der er mit Aquarellfarben einen Colourguide anlegte. Dieser diente als Vorlage für den Lithographen, der die Farbflächen selbst umsetzte. Anschließend erhielt Foster einen Handdruck, um die Farben überprüfen zu können und gegebenenfalls auch Korrekturen einzutragen. Diese Proofs haben sich zum größten Teil erhalten und dienen der Faksimile-Ausgabe von Fantagraphics als Basis. Sie können jedoch nur bedingt als exakte Wiedergabe der Zeitungsausgabe betrachtet werden: Auch hier altern die Farben unterschiedlich, sodass sich Verschiebungen in den Farbnuancen ergeben. Farbkorrekturen, die Foster nach dem Proof ausführen ließ, gingen ebenfalls verloren. Abschließend verglich Mik Schulz drei Faksimile-Ausgaben: erschienen beim Splitter-Verlag, bei Bocola und Fantagraphics. Es zeigte sich, daß alle drei Varianten ihre Vor- und Nachteile haben. Teilweise gehen bei Bocola Details wie z.B. Schatten verloren, die in den Splitter- und Fantagraphics-Varianten noch deutlich zu erkennen waren. Bocola lernt jedoch mit zunehmender Retusche-Erfahrung - einige Bände liegen bereits in zweiter oder dritter Auflage vor, jede davon erneut überarbeitet, um Schwächen aus der vorhergehenden Auflage auszugleichen. Ihre Retusche-Arbeiten sind dabei herausragend. Fantagraphics ist ebenfalls eine sehr gute Ausgabe mit im Allgemeinen hervorragender Bildqualität. Die Ausgabe hat teilweise Probleme mit den Farben, die sich entweder auf dem Proof nicht klar erhalten haben, oder die Foster tatsächlich selbst noch korrigiert hat. Auch Splitter weist teilweise mehr Zeichnung in den Details und eine bessere Farbbalance auf als die anderen Ausgaben.
Daran anschließend berichtete WOLFGANG J. FUCHS von seiner langjährigen Tätigkeit als Übersetzer der Prinz-Eisenherz-Comics. Dabei unterschied er zunächst drei Grundarten einer Übersetzung, für die sich der Übersetzer vor dem Beginn seiner Arbeit an einem Werk entscheiden muß. Zum einen könnte er möglichst frei übersetzen, also eine Neufassung anfertigen. Zum anderen könnte er möglichst exakt übersetzen, das heißt, daß im Deutschen, das meist mehr Text benötigt als das Englische, oft gekürzt werden muß, inhaltlich aber nichts verändert wird. Zuletzt besteht die Möglichkeit, daß die Übersetzung zwar inhaltlich gleich bleibt, aber lokal angepaßt wird. Dieser Weg wurde z.B. für die deutsche Fassung von Micky Maus und Donald Duck gewählt. Bei Prinz Eisenherz entschied sich Herr Fuchs für die zweite Variante, um dem Stil Hal Fosters weitestgehend treu bleiben zu können. Dies ist insofern erwähnenswert, als das bei den meisten vorangegangen Übersetzungen häufig außer Acht gelassen wurde. So war etwa auch Pollischanskys Fassung heroischer, aber weniger sarkastisch als das Original. Das letzte Wort hat aber schließlich immer der Lektor, der teilweise ohne Rücksprache mit dem Übersetzer Änderungen vornimmt. Hier können sich gelegentlich (aber eher selten) Fehler einschleichen. Andererseits kann dem Originaltext auch nicht blind vertraut werden: Es gibt Beispiele, bei denen Foster Figuren verwechselt oder in denen Murphy tote Figuren wiederauferstehen läßt. Als Übersetzer hat Fuchs hier aber die Möglichkeit, kleine Ungenauigkeiten der Originalautoren auszugleichen und den Figuren beispielsweise wieder die richtigen Namen zuzuweisen.
Im Gegensatz dazu ging FRIEDRICH LENZ in seinem Vortrag genauer darauf ein, inwieweit neben der Ansiedlung seiner Erzählung im real-historischen Rahmen des 5. Jahrhunderts, Foster absichtlich Ungenauigkeiten in der zeitlichen Abfolge der Erzählung einbaute. Zwar erstellte bereits Todd Goldberg in seinem 1992 veröffentlichten Prince Valiant Companion eine Zeitlinie, die sich jedoch nur auf die Kongruenz der Prinz-Eisenherz-Erzählung mit historischen Daten bezieht, aber nicht die zeitliche Entwicklung innerhalb des Comics selbst beachtet und so ein wichtiges Gestaltungsmittel Fosters außer Acht läßt. Wie sich bei genauer Betrachtung der Comic-Erzählung zeigt, vollziehen Foster und Murphy im Laufe ihrer Arbeit drei Zeitsprünge in die Zukunft und zwei wieder zurück in die Vergangenheit. Diese lassen sich an mehreren Stellen deutlich erkennen etwa bei Arns erstem Abenteuer (ca. S. 890) - hier ist Eisenherz' Sohn wohl zu jung, als daß Foster ihn gut in eine eigene Geschichte einbinden könnte. Daher läßt er ihn innerhalb weniger Seiten von einem etwa dreijährigen Kind zu einem 8-jährigen Jungen altern. Diese Zeitsprünge egalisieren sich in der Summe wieder, wodurch Goldberg sie übersehen konnte. Auch sonst scheint Foster manchmal kongruenter als die Erzählung tatsächlich ist. In der Regel entspricht jedes gezeichnete Jahr einem erzählten Jahr. Bei genauer Analyse zeigt sich jedoch, daß die Zeiten nicht immer stimmen. So läßt Foster uns wissen, daß Eisenherz mit fünf Jahren nach England kam und wann er 18 Jahre alt wurde. Mit späteren Daten und Altersangaben zu Prinz Eisenherz decken sich diese Daten jedoch nicht immer, sodass auch hier die Zeitsprünge nachvollziehbar werden. In gleicher Weise werden historische Daten, an denen sowohl Foster als auch der Mediävist und Texter Cullen Murphy sich sehr wohl orientierten, bewußt leicht verändert oder zeitlich etwas verschoben. Dies geschah meist, wenn historische Ereignisse besonders faszinierend waren und daher einen spannenden Handlungsbogen vorgaben. Dabei gingen sie aber nie so weit, die geschichtlichen Geschehnisse zu entstellen, sondern blieben ihnen in ihren Grundzügen verpflichtet.
In Ergänzung zum Vortrag von Herrn Fuchs gab zum Abschluß AXEL-M. WULFF einen umfassenden Einblick in die Anfänge der Prince-Valiant-Übersetzung in Deutschland. 1939 wurde Prince Valiant in Deutschland in der Zeitschrift „der Papagei“ publiziert. Dabei handelte es sich um eine Kinderzeitschrift, die von Firmen bestellt und an die Kinder der Kunden verteilt werden konnte. Fosters Erzählung erschien in 14 Ausgaben des Papagei. Allerdings erhielten die Bilder eine neue Kolorierung und Rasterung. Daher ist anzunehmen, daß dem Verlag wahrscheinlich Schwarzweiß-Bilder vorlagen. Die Geschichte selbst wurde in der Übersetzung stark verändert. Nicht nur erhielten die Figuren neue Namen, auch die Erzählung selbst wurde komplett neu geschrieben, allerdings ohne in sich schlüssig zu sein. So wurde Ilene in Rena umbenannt und wurde zu Valiants Schwester, Camelot war nun Minora und König Arthur hieß Rul. Die Hauptfigur dieser neu geschriebenen Fassung war allerdings anfänglich Arn. Valiant hieß statt dessen Thorst. Die Rollenverteilung wechselte jedoch mehrmals: In den Ausgaben 79/81 hatte Arn die Rolle des Waldemar inne, in den Ausgaben 82 und ab 86 wurde Valiant wieder zur Hauptrolle, sodass Arn zu Thorst wurde. Diese Neuverteilung kann jedoch nicht, wie in der Literatur behauptet, durch eine Vorzensur begründet werden, da es diese erst ab 1940 gab. Vor dieser Zeit gab es nur eine Nachzensur. Zur aus heutiger Sicht seltsam erscheinenden Namensgebung läßt sich ergänzend sagen, daß die Übersetzer vermutlich eine dem Original ähnliche Variante des Namens zu finden suchten. Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Sprachen, in denen das englische „Valiant“ z.B. mit Valiente übersetzt werden konnte, gab es im Deutschen keine direkte Entsprechung des Namens. Man entschied sich daher, zumindest die erste Silbe beizubehalten, sodass aus Valiant dann Waldemar wurde. Der Name Prinz Eisenherz tauchte dann das erste Mal 1950 auf.